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Taijiquan

Das Taijiquan ist eine alte chinesische Bewegungskunst, das Gesunderhaltung (Prävention) Meditation und Selbstverteidigung beinhaltet. 

Dabei bedeutet Taiji das Höchste, das Letzte, das Namenlose, das Absolute und quan bedeutet die Hand oder die Faust. Neben der Akupunktur und der Heilkräutermedizin stellt das Taijiquan eine wichtige Säule der traditionellen chinesischen Medizin dar und ist in China, in Taiwan und in Südostasien weit verbreitet. Beim Taijiquan fließen Erfahrungen aus drei wichtigen Strömen der taoistischen Kulturen zusammen, nämlich der Medizin, der Kampfkunst und der Philosophie, wobei die philosophische Basis der Taoismus und die Prinzipien von Ying und Yang mitbeinhaltet sind. Ziele des Taijiquan sind durch Übungssysteme mit der Hand oder der Faust mit dem Taiji eins zu werden.

Voraussetzung dafür ist die Befreiung von dualistischen Denken und die Suche nach höchster Wahrheit jenseits von äußeren Erscheinungen. Für das Taijiquan sind verschiedene Stilrichtungen und Formen bekannt.

Drei wesentliche Stilrichtungen sind der Chen-Stil, der, der älteste überlieferte Stil nach dem großen Meister Chen Wang Ting C (1597 bis 1664 n. Ch. ) darstellt; das Wissen um diese Kampfkunst wurde jeweils streng geheim gehalten und nur innerhalb der Familie weitergegeben.

Ein weiterer Stil ist der Yang-Stil durch einen Schüler der Chen-Familie (Yang Lu Chan um 1799 bis 1872) entwickelt und erstmals in der Öffentlichkeit unterrichtet, wobei meditative und gesundheitliche Aspekte stärker in den Vordergrund rückten und aus diesem Grund ist dieser Stil heute am meisten verbreitet.

Zu erwähnen ist noch eine Wu-Stil und Syn-Stil, die sich aus dem Chen und dem Yang-Stil entwickelt hatten.

Aus jedem dieser oben erwähnten Stile entwickelten sich Formen, die aus einer festgelegten Abfolge von Bewegungen bestehen.

Bekannte Formen sind die lange Form des Yang-Stils nach dem Meister Yang Cheng Fu, die gekürzte Form des Yang-Stils ist nach dem Meister Cheng Man Ching und der Peking-Stil, der auf dem Yang-Stil basiert. Das Taijiquan wird nach 4 Prinzipien durchgeführt. Diese sind angemessene körperliche und geistige Haltung, Bewegung und Atmung.

Hinsichtlich der körperlichen Haltung ist besonders wichtig, dass eine stabile aber entspannte Haltung eingenommen wird. Die einzelnen Bewegungen werden harmonisch, nicht steif oder stockend ausgeführt. Mit wenigen Ausnahmen braucht man keine plötzliche Haltungsänderung oder heftige Sprünge durchzuführen.

Dadurch entspricht die körperliche Haltung nahezu der physiologischen Haltung des Körpers ohne dass Zeichen einer Überanstrengung auftreten.

Die Patienten fühlen sich im Gegenteil nach dieser Form der Bewegung körperlich wohl und seelisch erleichtert, deswegen eignet sich auch das Taijiquan sehr gut zum Training des Organismus für alle Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht und Kondition und besonders geeignet ist diese Form der Bewegung auch für Patienten mit chronischen Erkrankungen, mit geschwächtem Organismus, Herz-Patienten, Patienten mit rheumatischen Erkrankungen u.s.w.

Hinsichtlich der geistigen Haltung wird Meditation in Bewegung als Zustand des körperlichen und geistigen Gelöstseins bei gleichzeitiger Aufmerksamkeit angestrebt. Hinsichtlich der Bewegung ist der ganze Körper als Einheit zu verstehen, das Zentrum der Bewegung ist das Becken und die Bewegungen sind wie bereits erwähnt sanft, langsam und fließend.

Als Atemtechnik wird Bauchatmung verwendet, der Atem fließt entspannt und sanft.

Therapeutische Anwendungen

Das Taijiquan hat mehrere Wirkungen auf den menschlichen Organismus, eine der wichtigen Wirkungen stellt der Einfluss auf das Nervensystem dar, da bei voller geistiger Aufmerksamkeit die Aktivitäten des Großhirns hauptsächlich auf die motorischen Zentren der Großhirnrinde konzentriert sind. Die übrigen Areale der Großhirnrinde werden weitgehend gehemmt, so dass sie sich während der körperlichen Aktivität erholen können, so dass sehr schnell eine Regeneration nach einer Ermüdungsphase auftritt. Gleichzeitig wird die Koordination durch die Taijiquan Bewegungen trainiert und verbessert, außerhalb hellt sich die Stimmungslage auf, so dass sich die Patienten sowohl körperlich als auch geistig entspannt fühlen. 

Die Verbesserung der Stimmungslage ist ein besonderer Vorteil für die allgemeinen physiologischen Aktivitäten des Organismus. Patienten mit chronischen Erkrankungen, für die diese Form der Bewegung besonders geeignet ist, fühlen sich besonders wohl und weisen eine günstigere Prognose für die Heilung bzw. Besserung ihres Gesamtzustandes auf.

Auch die Einflüsse auf das Atmungssystem sind von großer Bedeutung, da die beruhigenden und harmonisierenden Bewegungen des Taijiquan die Beweglichkeit des Brustkorbes verbessern und die Elastität des Lungengewebes erhöhen.

Insofern wird durch Belüftung (Ventilation) der Gasaustausch der Lunge deutlich verbessert und damit auch die allgemeine Belastbarkeit erhöht.

Die Einflüsse auf das Kreislaufsystem sind durch die Wirkungen des Nervensystems, insbesondere auf die Großhirnrinde und den Nervus vagus zu erklären, der dazu führt, dass die Blutversorgung des Herzens und der Herzkranzgefäße verbessert wird und sich damit die Hemodynamik des Blut-Kreislaufs und der Zirkulation ebenfalls verbessert.

Weitere Einflüsse des Taijiquan auf den Organismus sind solche auf das Verdauungssystem, den Stoffwechsel, sowie auf den Bewegungsapparat.

Hinsichtlich der Einflüsse auf das Verdauungssystems ist die Verbesserung der Peristaltik des Darmes zu erwähnen, sowie die Anregung der Sekretion (der Ausscheidung von Magen und Gallensäften), wie auch die Resorption des gesamten Verdauungstraktes verbessert wird. Insofern werden auch viele Funktionsstörungen der Verdauungsorgane wie Völlegefühl, Appetitlosigkeit, Malabsorption und Obstipation deutlich verbessert.

Durch die harmonischen und sanften Bewegungen des Taijiquan tritt auch eine Funktionsverbesserung des Stoffwechsels auf, der in einer deutlichen Verminderung der Konzentration des Cholesterins nachweisbar ist, während sich die Eiweißkonzentration erhöht, dieser Effekt ist besonders für die Prophylaxe von arteriosklerotischen Erkrankungen von Bedeutung.

Die Einflüsse auf den Bewegungsapparat sind die, die insbesondere die Haltung der Wirbelsäule betreffen, da sehr viele Bewegungen aus dem Lendenwirbelsäulen-Bereich und dem Kreuzbereich geführt werden.

Die besondere Haltung der gesamten Wirbelsäule und die Art und Weise der Bewegung wirken sich positiv auf die Form und Funktion der Wirbelsäule aus. Auch die entsprechende Wirbelsäulen-Muskulatur wird durch dieses Training, wenn es über Jahre durchgeführt wird, geschmeidig, elastisch und gekräftigt, wie auch nicht zuletzt der Knochenstoffwechsel durch einen verstärkten Calcium-Einbau angeregt wird, und die Bänder durch die typischen Bewegungen des Taijiquan trainiert werden.

Die Wirkung des Taijiquan als Meditation beruht in erster Linie darin, dass die konzentrierte Ausübung von Taijiquan eine bewusste Führung der Bewegung und Atmung, eine der Voraussetzung für die Meditation schafft, nämlich die Abschaltung der Störfaktoren von außen und innen. Damit wird ein Zustand angestrebt, der möglichst frei von Gedanken ist und durch vertiefte Ruhe und gedankliche Leere charakterisiert ist. Dies ist die Voraussetzung für eine schöpferische geistige Leistung, das sich Erkennen und das sinnliche Betrachten. Gleichzeitig eröffnet sich damit der Weg für die Erweiterung des Bewusstseins, die Vertiefung der Gedanken und die Intuition.

Nebenwirkungen für die Form der Bewegung sind keine bekannt, wie auch schädliche Effekte nur durch falsche Atemführung oder unangemessene Bewegungen möglich sind, insofern ist eine Anleitung durch einen erfahrenen Lehrer wichtig. Als Kontraindikation für diese Bewegungsübungen sind jedoch Schwangerschaft und Menstruation wie auch leichte und schwere psychotische Erkrankungen zu erwähnen.

Regelmäßig durchgeführt dient das Taijiquan vor allem der Prävention und ist hervorragend bei entzündlichen und degenerativen Gelenkerkrankungen geeignet, wie auch Patienten mit chronischen Schmerzzuständen, mit Kopfschmerzen, Migräne, Lähmungen, mit funktionellen Verdauungsstörungen, Herz- Kreislauf-Erkrankungen und psychovegetativen Anspannungs- und Erschöpfungszuständen können diese alte chinesische Bewegungsform durchführen und von ihr in hohen Maße medizinisch profitieren.

PD Dr. Dr. med. E. Friedel 

Bad Kissingen