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Neues Buch: Gut leben mit dem Dauerschmerz – Der neue Fibromyalgie-Ratgeber

| Mitteilungen

Die Ursache bleibt ein Rätsel: Selbst die aktuelle medizinische Leitlinie nennt keine Ursachen für die Erkrankung. Eine seriöse medizinische Therapie versucht also vielmehr, gezielt Symptome zu lindern. Der neue Fibromyalgie-Ratgeber ist erschienen, herausgegeben von der Deutschen Fibromyalgie Vereinigung (DFV) e.V. Wir haben mit Autor Holger Westermann gesprochen.

Die Ursache bleibt ein Rätsel: Selbst die aktuelle medizinische Leitlinie nennt keine Ursachen für die Erkrankung. Eine seriöse medizinische Therapie versucht also vielmehr, gezielt Symptome zu lindern. Der neue Fibromyalgie-Ratgeber ist erschienen, herausgegeben von der Deutschen Fibromyalgie Vereinigung (DFV) e.V. Wir haben mit Autor Holger Westermann gesprochen.

Warum ist die neue Leitlinie so bedeutend für Menschen mit Fibromyalgie?

Die neue Leitlinie gibt Betroffenen und Ärzten verlässliche Orientierung und damit letztendlich Sicherheit, das Richtige zu tun. Die Schmerzerkrankung Fibromyalgie Syndrom (FMS) wurde früher auch von Ärzten als Pseudoerkrankung hysterischer Frauen abgetan, ähnlich wie noch vor wenigen Jahrzehnten die Migräne. Schon die Leitlinie 2013 betonte, dass diese Ansicht falsch ist. In den letzten Jahren hat sich die medizinische Forschung recht intensiv mit dem FMS beschäftigt, die neuen Erkenntnisse wurden in die Leitlinie 2017 eingearbeitet. Es gibt bislang keine wissenschaftlich fundierten Vorstellungen zur Ursache der Krankheit. Dieses Eingeständnis ist auf den ersten Blick vielleicht enttäuschend. Wer das akzeptiert, schützt sich dadurch jedoch vor Scharlatanen.

Experten empfehlen eine multimodale Schmerztherapie. Was kann man sich darunter vorstellen?

Dieser Therapieansatz kombiniert Medikamente, körperbezogene Maßnahmen, Sport und Entspannungstechniken, manchmal auch eine gezielte Änderung des Lebensstils, um eine optimale Schmerzlinderung zu erreichen. Gerade für Menschen mit Fibromyalgie ist das ein erfolgversprechendes Verfahren, da Stressabbau und Symptombehandlung Hand in Hand gehen.

In Ihrem Ratgeber weisen Sie darauf hin, dass vor allem Geselligkeit mit Menschen, denen Fibromyalgie ein Begriff ist, besonders wichtig ist. Wieso ist das so?

Menschen sind soziale Wesen, Geselligkeit ist ein Grundbedürfnis. Zwar kann kurzzeitiges Alleinsein auch Stress reduzieren, doch auf Dauer fühlen sich Menschen nur in Gesellschaft wohl. Sie benötigen die Interaktion mit anderen Menschen, deren Gegenwart allein genügt nicht. Deshalb ist es wichtig, sich verstanden zu fühlen. Menschen mit Fibromyalgie leiden unter Schmerzen, können aber keine körperlichen Gebrechen vorzeigen. Für sie ist es nicht leicht, bei gesunden Mitmenschen Verständnis zu finden, warum es ihnen heute extrem schlecht geht, obwohl sie noch gestern nur wenig Belastung beklagten. In einem Kreis von Menschen, denen diese Besonderheiten des FMS vertraut sind, muss man das nicht erklären. Man muss sich nicht ständig rechtfertigen. Der soziale Stress ist geringer und die Erkrankung Fibromyalgie steht oftmals weniger im Mittelpunkt der Gespräche als in Gesellschaft gesunder Menschen.

Kann Fibromyalgie mit einem Burnout oder einer Depression zusammenhängen?

Burnout wird heute in Zusammenhang mit einer Veranlagung oder Vorbelastung für depressive Störungen gestellt. Auch viele Fibromyalgie-Patienten leiden unter depressiven Episoden; die Leitlinie 2017 bezeichnet sie als FMS-Risikofaktor. Zudem haben viele Menschen mit Fibromyalgie in ihrem Leben, oftmals schon in der Kindheit, traumatisierende Erlebnisse durchlitten. Sexuelle Übergriffe, schwere soziale Kränkungen und Mobbing belasten die Psyche nachhaltig, als Erinnerung und durch die psychischen Strategien mit diesen Erfahrungen weiter zu leben. Menschen mit Fibromyalgie neigen offensichtlich dazu, sich selbst die “Schuld“ zuzuschreiben. Eine depressive Grundstimmung kann also gleichermaßen als Folge und Ursache auftreten.

Unterscheidet sich die körperliche Auswirkung von Stress bei Männern und Frauen unterschiedlich? Woran liegt das?

Frauen und Männer repräsentieren unterschiedliche soziale Strategien. Männer konkurrieren mit anderen Männern in der unmittelbaren Konfrontation und versuchen dabei zu bestehen. Wer unterliegt, muss jedoch nur selten soziale Isolation fürchten. Frauen verfolgen dagegen eine Netzwerk-Strategie. Sie knüpfen Beziehungen, die im Ernstfall Unterstützung garantieren. Jede Zurückweisung ist eine kleine Niederlage und verstärkt die Furcht vor sozialer Isolation. Das ist natürlich eine sehr grobe Charakterisierung, die nicht für jede Frau und jeden Mann zutrifft. Es veranschaulicht aber, warum sozialer Stress für Frauen und Männer so unterschiedliche Folgen hat und warum sie auch so unterschiedlich darauf reagieren - und warum sie sich in diesem Punkt auch so wenig verstehen.
 

Deutsche Fibromyalgie Vereinigung (Hrsg.)
Holger Westermann
Der Fibromyalgie-Ratgeber
144 Seiten, ca. 20 Abbildungen
15,5 x 21,0 cm, Broschur
ISBN 978-3-89993-945-3
€ 19,99 [D] / € 20,60 [A]

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