Der berauschende Inhaltsstoff von Cannabis ist das Tetrahydrocannabinol (THC, C21H30O2). Dieser psychoaktive Wirkstoff macht die Anwender „high“ und euphorisch und versetzt sie in eine entspannte Grundstimmung. Dabei empfindet das Gehirn Glücksgefühl, Stressreduktion und Schmerzdämpfung - ein psychologisch positiver Zustand. Diesen immer wieder einzustellen kann erstrebenswert erscheinen und zu stetem Konsum motivieren. THC wird daher auch Suchtpotential zugeschrieben (wie Tabak und Alkohol).
Ein weiterer medizinisch wirksamer Inhaltsstoff der Cannabispflanze ist das Cannabidiol (CBD, Summenformel ebenfalls C21H30O2). Es wirkt entkrampfend, entzündungshemmend, angstlösend und gegen Übelkeit. In Deutshcland sind Medikamente mit hohem CBD-Gehalt rezeptpflichtig. Doch mit sehr niedriger Dosierung werden derzeit „Arzneimittel“ und „Nahrungsergänzungsmittel“ Patienten zum Kauf angeboten, zumeist im Direktvertrieb (auf Verkaufsveranstaltungen oder Gesundheitsmessen, nicht in der Apotheke). Dabei wird mit Wirkversprechen geworben, die auf die vom THC bekannten Effekte anspielen.
Die ARD-Sendung „Report Mainz“ beleuchtet diesen dubiosen Markt. Hier werden die Hoffnungen schwer kranker Patienten ausgenutzt, um mit Produkten ohne Zulassung für den Gesundheitsmarkt rasche Geld zu verdienen. Möglich ist das nur, weil hierzulande die zuständigen Behörden erst auf Anfrage aktiv werden.
Dagegen bewertet der private TV-Sender RTL im Online-Textbeitrag „Cannabis aus der Drogerie: CBD-Öl - Wie Cannabidiol wirkt und wozu man es einsetzt“ (2) die Anwendung von CBD-Produkten prinzipiell positiv, schränkt aber ein:
Welche medizinischen Wirkungsmechanismen bei CBD aktiviert werden, ist noch nicht vollständig erforscht. "Es fehlen gute Studien zur Wirksamkeit von CBD", erklärt Neurologin Dr. Eisensehr. "Aber CBD wird nachgesagt, dass es eine entzündungshemmende Wirkung hat, dass es in die Gefäßweite und den Serotonin-Stoffwechsel eingreift.“
Doch direkt im Anschluß an diese Einschränkung (noch nicht vollständig erforscht) und Mahnungen (Es fehlen gute Studien zur Wirksamkeit) wird behauptet:
Das Wirkungsspektrum von CBD ist breit gefächert. Unterschiedliche Untersuchungen zeigen jedoch, dass CBD antibakteriell wirkt, die Zellen vor oxidativem Stress schützt und Entzündungen bremst.
Und in der Übersicht angeblicher Wirkungen heißt es:
Cannabinoide haben eine schmerzstillende Wirkung. Damit kann CBD bei Gelenkschmerzen, aber auch Kopfschmerzen (Migräne) und Menstruationsschmerzen eine positive Wirkung haben. Auch bei Fibromyalgie und Arthritis wurde CBD bereits wirksam eingesetzt.
Wir fassen zusammen:
Die Ärztin lässt sich zitieren, dass aussagefähige Studien zur Wirksamkeit von CBD fehlen, es aber Gerüchte (wird nachgesagt, dass) über Entzündungshemmung, Gefäßdilatation oder Serotonin-Freisetzung gäbe. Alle anderen Zuschreibungen einer Wirkung von CBS bleiben ohne Quelle oder konkreten Fürsprecher (abgesehen vom ungenannten Autor).
Zur Täuschung der Leser kommt es unter der Zwischenüberschrift „Wogegen hilft CBD?“. Hier wird unter den Stichwort „Schmerz“ die Wirkung von Cannabinoiden beschrieben - aber nicht die von Cannabidiol (= CBD). Zur Stoffgruppe der Cannabinoiden zählt beispielsweise auch Tetrahydrocannabinol (THC), der Wirkstoff für das Rauscherlebnis beim Cannabiskonsum. Hier wird also die Wirkung ganz anderer (weiterer) Inhaltsstoffe von Cannabis beschrieben. Insofern erstaunt es nicht, wenn es im Text heißt: „Cannabinoide haben eine schmerzstillende Wirkung. Damit kann CBD bei Gelenkschmerzen, aber auch Kopfschmerzen (Migräne) und Menstruationsschmerzen eine positive Wirkung haben." Dann folgt ohne inhaltlichen Zusammenhang die Behauptung: „Auch bei Fibromyalgie und Arthritis wurde CBD bereits wirksam eingesetzt.“ Dazu muss festgestellt werden, dass es bislang keine medizinische Empfehlung zum Einsatz von Cannabis in der FMS-Therapie gibt.
Und am Ende dieses Beitrags finden die Leser unter dem Titel „Wo kann ich CBD-Öl kaufen?“ auch einen Kurzfilm „Wie gut sind Drogerie-Medikamente?“ mit einem Hinweis auf den Einkauf von Arzneimitteln in der Drogerie anstelle der Apotheke. Die Allgemeinärztin Frau Dr. Leonie Becker empfiehlt jedoch keineswegs den Drogeriemarkt und die dort angebotenen „Arzneimittel“, sondern spricht von „frei verkäuflichen Arzneimitteln“ aus der Apotheke. Die Drogerieempfehlung wird nur vom unbekannten Kommentator ausgesprochen - doch die Autorität der Ärztin soll wohl auf diese dreiste Behauptung abfärben, während den Hintergrund eine Akupunkturpuppe dekoriert. Zum Einkauf von CBD-Öl wird in diesem Kurzfilm gar nichts gesagt. Aber unter dem Kurzfilm-Player findet sich der Hinweis: „CBD-Öl gibt es in der Apotheke, in der Drogerie, im Reformhaus und in verschiedenen Online-Shops.“ Dass es hoch riskant ist, solche Substanzen über das Internet zu bestellen, wird nicht erwähnt. Niemand kennt den Herstellungsprozess und die Konzentration der Inhaltsstoffe. Der ARD-Beitrag zitiert das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, dass diese Produkte aus der Drogerie (ohne Fachberatung und ohne Arzneimittelzulassung) gar nicht verkehrsfähig sind, weil CBD im Novel Food Catalogue gelistet ist und daher als neuartiges Lebensmittel gilt, wird eine spezielle Zulassung vorausgesetzt - die liegt bislang nicht vor „und somit sind derartige Erzeugnisse derzeit nicht verkehrsfähig. Es gibt bislang keine legale Möglichkeit Nahrungsergänzungsmittel mit Canabidiol auf den Markt zu bringen.“ Im Text von RTL fehlt dieser Hinweis. Ohnehin scheint der Zweck dieses Beitrags über CBD-Öle eher Werbung als Information zu sein.