Korrelation und Kausalität

Erstellt von Holger Westermann |

„Erhöht Übergewicht das Asthma-Risiko?“ fragt die wissenschaftliche Webseite scinexx am 26.11.2018 und verweist auf eine aktuelle Studie an 507.496 Kindern im Alter von 2 bis 17 Jahren (durchschnittliche Dauer 4 Jahre mit 39 Untersuchungen pro Kind). Dabei „hatten adipöse Kinder ein rund 30 Prozent höheres Asthma-Risiko als Kinder mit Normalgewicht.“ Das Deutsche Ärzteblatt erinnerte am 27.11.2018 in einem Artikel zu dieser Veröffentlichung an erschwertes Atmen bei Übergewicht und an die Schädigung der Atemwege durch Sodbrennen, unter dem adipöse Menschen häufiger leiden als Normalgewichtige. Ist damit die Ursache (Kausalität) für den statistischen Zusammenhang (Korrelation) von Übergewicht und Asthmarisiko bei Kindern bereits erkannt? Der leitende Forscher ist sich in seinem Fazit sicher: „Ich halte es aber schon jetzt für angebracht, hier eine kausale Verbindung zu vermuten“.

Drei Tage zuvor konnte man auf der scinexx-Webseite lesen „Dicke Kinder durch rauchende Schwangere“. Offensichtlich haben dicke Kinder oftmals rauchende Mütter. Die Studie analysiert bei Neugeborenen (15 von Raucherinnen, 31 von Nichtraucherinnen) genetische Veränderungen, die bei der Entwicklung von Fettzellen wirksam werden und langfristig Übergewicht hervorrufen.Es ist nicht zu erwarten, dass Frauen, die während der Schwangerschaft rauchten, ihren heranwachsenden Kinder einen Lebensraum ohne Zigarettenrauchbelastung bieten. Dann wären Übergewicht und Asthmarisiko auf die selbe Ursache (Kausalität) zurückzuführen, nämlich den Zigarettenkonsum der Mütter. Die beiden von einander unabhängigen Effekte sind lediglich über die gemeinsame Ursache miteinander verknüpft (Korrelation), bedingen sich aber nicht gegenseitig: Je mehr die Mutter raucht (Ursache), um so größer ist das Risiko fürs Kind an Asthma zu erkranken (Effekt 1) und gleichzeitig begründet Rauchen während der Schwangerschaft die Veranlagung für zukünftiges Übergewicht (Effekt 2). Zwischen Effekt 1 und Effekt 2 besteht jedoch kein direkter Zusammenhang.

Beim Fibromyalgiesyndrom mit vielfältigen Symptomen sind Kausalität und Korrelation noch schwieriger zu erkennen. Die aktuelle medizinische Leitlinie (veröffentlicht 2017) definiert: „Das FMS wird als ein Syndrom erster Ordnung bzw. ein Symptomenkomplex mit unbekannter bzw. nicht geklärter Ätiologie (Entstehungsursache), heterogener Pathogenese (Krankheitsentwicklung) sowie definiertem Phänotyp (Erscheinungsform) eingeordnet“. Es gibt derzeit keine gesicherten Erkenntnisse über die zugrundeliegenden Ursachen (Kausalitäten). Andererseits weiß jeder FMS-Patient, dass Stress viele Symptome verstärkt, wenn auch nicht alle gleichermaßen. Schmerzen, Schlafstörungen, Müdigkeit, Konzentrationsprobleme und Wortfindungsstörungen werden häufiger und intensiver. Ob jedoch die Suche nach dem passenden Begriff in der Unterhaltung Folge der geschwächten Konzentrationsfähigkeit ist, die auf anhaltende Tagesschläfrigkeit aufgrund schlechter Schlafqualität zurückgeführt werden kann, weil bei Nacht die Schmerzen plagen? Das kann man vermuten, das ist sogar plausibel, aber die Kausalität ist nicht zwingend. Es können auch Korrelationen mit gemeinsamer Ursache sein.

Vor solchen Interpretationsirrtümern schützt Aufmerksamkeit beim Lesen. Korrelationen liefern wichtige Hinweise, wo nach Kausalität zu suchen ist. Um jedoch die Ursachen zu verstehen, bedarf es einer prüfbaren Theorie über die Wirkung dieser Ursache auf die Effekte. Erst wenn diese Erklärung wissenschaftlich überprüft wurde, wenn die Theorie bestätigt wurde (genauer: wenn die Widerlegungsversuche gescheitert sind), kann man von Kausalität sprechen.

Quellen

Lang, J.E. et al. (2018): Being Overweight or Obese and the Development of Asthma. Pediatrics142 (6): e20182119. DOI: 10.1542/peds.2018-2979

Reynolds, L.J. et al. (2018): Smoking during pregnancy increases chemerin expression in neonatal tissue. Experimental Physiology, online veröffentlicht am 22.11.2018. DOI: 10.1113/EP087307.