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Selbsthilfegruppe Usingen Eutonie – das unbekannte Wesen?

| Optimisten 04/2021

In den allerersten Anfängen von 2020 – als wir noch nichts von Corona wussten – berichtete unsere stellv. Gruppensprecherin Helga von einem Seminar auf Sylt mit dem Namen „Eutonie am Meer“. Schon „am Meer“ hat unsere Herzen höherschlagen lassen, doch was genau ist Eutonie? Und genau diese Frage hat mir jeder gestellt, dem ich von unserem Eutonie-Workshop erzählte.

Eine ausführliche Definition gibt es auf der offiziellen Homepage www.eutonie.de, ich versuche, es Euch mit meinen Worten zu erklären.
In der Eutonie geht es darum, mit speziellen Übungen Verspannungen aufzuspüren, um sie zu lösen oder zu lindern. Damit kann man seine Beweglichkeit erhalten und verbessern.

Dies geschieht zum Teil mit ganz kleinen Bewegungen. Achtsame Übungen werden an den jeweiligen körperlichen Zustand angepasst. Und durch diese Übungen kommen wir wieder in Bewegung, was unserem gesamten Körper und auch der Psyche guttut. Es wird also eine Balance zwischen Körper und Seele hergestellt.

Jedoch wurde schnell klar, dass der Standort Sylt unser Budget bei weitem übersteigt. So suchte Helga nach Alternativen. Gibt es auch Eutonie-Workshops in der näheren Umgebung?

Sie wurde fündig und hat eine Kursleiterin gefunden, die im Biohotel „Forellenhof“ in Bad Endbach diesen Kurs anbietet. Und hier stimmte das Budget. Die Reise wurde für den Herbst 2020 geplant.
Ihr erahnt sicher, wer uns da einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Aufgrund der Corona Beschränkungen war die Reise nicht möglich. Doch unsere Gruppenleitung blieb am Ball, und dann kam im April ein erneuter Termin für den 22.-25.Juli 2021.

Dieses Mal konnten wir starten. Wir fuhren mit unseren Autos die gut 80 km. Ich konnte auf der Hinfahrt z.B. eine Straße in der Nähe meines Wohnorts befahren, die ich noch nie zuvor befuhr. Für mich wurde das schon zu so etwas wie einer Abenteuerreise.

Wir kamen früh in Bad Endbach an und stärkten uns erst einmal mit einem Mittagessen im Restaurant der Lahn-Dill-Therme. Eigentlich wollten einige von uns auch vor Kursbeginn noch schwimmen gehen, doch strichen wir diese Idee, um gemütlich miteinander zu sitzen, zu essen und uns auszutauschen. Das gab es ja lange nicht mehr.

Jede von uns war gespannt darauf, was uns erwartet. Und schon bei diesem Mittagessen wurde klar, wir werden Spaß haben und unsere Reise genießen.

Am Nachmittag lernten wir dann bei Kaffee und Kuchen unsere Kursleiterin Frau Heigl kennen. Gespannt gingen wir in den Kursraum und wurden dort von Matten aus Schaffell überrascht. Auch lagen auf jeder Matte zwei Bälle und ein Gymnastikhocker vervollständigte das Bild.

Interessant - Frau Heigl nahm mir dann auch gleich die Angst, dass ich Übungen auf dem Boden machen muss. Eutonie Übungen können auch im Sitzen oder in Gedanken gemacht werden. Und dann ging es los.

Viel zu schnell verging die erste „Einheit“ und wir durften zum Abendessen. Und auch hier wurden wir positiv überrascht. Ein wirklich ausgezeichnetes Bio-Essen wartete auf uns. Wir konnten entspannt genießen und den Tag mit interessanten und produktiven Gesprächen ausklingen lassen.

Der nächste Morgen begann um 8 Uhr mit einer Meditation. Danach das Frühstück in lockerer Atmosphäre, mit viel Vorfreude konnten wir in den neuen Kurstag starten.

Wir waren für Frau Heigl die erste Fibromyalgie Gruppe, und daher wollte sie ihr Programm an unsere Bedürfnisse anpassen. Sie hatte sich im Vorfeld über unser Krankheitsbild informiert und so auch die verschiedensten „Hilfs-Materialien“ mitgebracht.

Es gab Kirschkernkissen, die je nach Bedarf warm oder kalt verwendet werden konnten. Es gab auch einen mit Bio-Wolle „umfilzten“ Bambusstab, der neben die Wirbelsäule platziert wurde. Dann darauflegen und „spüren“. Und entspannen. In einigen Gesichtern nahm ich bald ein glückliches, gelöstes Lächeln wahr.

Weiterhin wurden Tennisbälle verwendet. Einzeln verwendet konnte er mit dem Fuß gerollt werden wobei der Druck je nach Befinden variiert wurde.

Zu Zweien - auch mit Biowolle umhäkelt - dienten die Tennisbälle zum Rollen bzw. um den Rücken darauf abzulegen. Und dann noch der Trick mit dem Socken; hier kommen mehrere Tennisbälle hinein und werden auch als eine Art Faszienrolle genutzt. Wir waren begeistert, wie man mit wenig Geld solch effektive Hilfsmittel herstellt!

Und wieder verging die Einheit viel zu schnell. Diesmal wurden wir mit einem erstklassigen Mittagessen belohnt. Im Anschluss gab es genügend Zeit, um entweder auszuruhen, spazieren zu gehen oder im Städtchen ein Eis zu essen.

 

Bad Endbach ist ein Kneipp Kurort und zeigt jedem Besucher ein altes Viadukt, über das immer noch die Bahn fährt. Desweiteren findet man in der Umgebung von Bad Endbach einige Kneipp Tretbecken. So gab auch eines in unserem Hotel. Ab Samstagmorgen lautete die Parole von Frau Heigl dann für die Mutigen: „7:50 Uhr am Tretbecken“. Danach begann wie immer um 8 Uhr die Meditation.

So verbrachten wir mit Frau Heigl vier Tage, an denen wir sehr viel über uns selbst lernten. Und darüber, wie wir unsere körperlichen Befindlichkeiten wahrnehmen, annehmen und uns viel Gutes tun können.
Dazu trugen Übungen mit kleinen Bewegungen bei, das Einsetzen von Hilfs-Materialien, wie dem beliebten Kirschkernkissen und auch Selbstmassagen oder das (sanfte) Drücken von Tenderpoints. Einige von uns konnten auch noch weitere positive Wirkungsweisen der alt bekannten Materialien entdecken und Anregungen mit nach Hause nehmen, um dort dann vielleicht die Häkelnadel auszupacken .....

Ich denke immer noch gerne an Frau Heigl zurück, die uns mit viel Empathie und Leidenschaft die Eutonie nahegebracht, uns inspiriert und motiviert hat.

Ich mache jedenfalls immer noch die Hüftübungen. Und vielleicht habt Ihr ja auch Lust, Euch aus Tennisbällen ein eigenes Hilfsmittel herzustellen und eine kleine effektive Hüftübung zu machen. Daher habe ich Euch eine aufgemalt.

Wir legen uns auf den Boden bzw. auf eine Unterlage. Beide Beine sind aufgestellt.

Jetzt im Zeitlupentempo das rechte Bein nach unten schieben bis es ganz gestreckt ist. Ein wenig verweilen und nachspüren. Anschließend wieder langsam das Bein aufstellen und nachspüren. Dann das gleiche mit dem linken Bein durchführen. Die Übung kann mehrmals wiederholt werden.

So vergingen die Tage viel zu schnell.

Jedenfalls waren es wunderbare Tage. Wir hatten viel Spaß zusammen, konnten aus dem täglichen Alltagstrott aussteigen.

Und es steht fest – wir planen bald wieder ein neues Projekt.

Vielleicht ist bis dahin auch die Pandemie nicht mehr vorherrschend und wir können wieder unbeschwert zusammenkommen und reisen.

Auf jeden Fall ist eine Reise, die wir in der Gruppe machen, ein Stück Lebensfreude. Und wir erleben und erfahren immer wieder Neues, was unser Krankheitsbild betrifft. Bei vielen von uns treten während der Reise die Schmerzen in den Hintergrund und die Wahrnehmung auf sich selbst und das Positive, das wir erleben, in den Vordergrund.

Susanne Fiur
Mitglied

 

Eutonie-Übungen verändern und harmonisieren z.B. die Atmung, den Blut- und Lymphkreislauf, den Stoffwechsel sowie den Tonus von Muskel- und Bindegewebe. Die Wechselwirkung von Körper und Psyche wird dabei positiv beeinflusst.

Unterschiedliche Eutonie-Prinzipien sprechen tief in uns verankertes Körperwissen an. Sie haben wichtige Funktionen für unseren Organismus und sind ein besonderes Achtsamkeitstraining.

Vielfältige Anregungen des Tastsinns verfeinern und vertiefen die Wahrnehmungen. Durch die Sensibilisierung der Haut erleben wir unseren Körper in seiner Begrenzung und Form. Die Stimulierung tiefer Schichten lässt Strukturen und Funktionen spürbar werden. Dies stärkt das Gefühl für die eigene Identität, gibt Sicherheit und baut Stress ab.

Die Räumlichkeit des eigenen Körpers mit seinen inneren Strukturen wird durch Tasten und Erspüren bewusster. Dies wirkt befreiend auf die Organe, fördert die Durchblutung und den natürlichen Atemfluss.

Eutonie erfreut sich großer Beliebtheit, weil sie ohne Medikamente auskommt und auch zu Hause fortgeführt werden kann, wird aber nicht von den Krankenkassen bezahlt. Oft wird Eutonie im Rahmen allgemeiner Physiotherapie angeboten.

Usingen ist eine Kleinstadt im Taunus ca. 15 km nördlich von Bad Homburg und ca. 35 km nördlich von Frankfurt gelegen und wird auch als Buchfinkenstadt bezeichnet. Usingen war ehemals Residenzstadt der Fürsten zu Nassau-Usingen. Ein Wahrzeichen Usingens sind die Eschbacher Klippen, ein 12 m hoher Quarzitfelsen, der auch vom Alpenverein als Kletterfelsen genutzt wird und von dem man einen herrlichen Blick über das „Usinger Becken“ hat. In ca. 10 km Entfernung befinden sich das Freilichtmuseum Hessenpark, das Römerkastell Saalburg und der Freizeitpark Lochmühle.