Kolumne: Umwelt und Gesundheit – Nette Gesellschaft garantiert vitales Gehirn und langes Leben
Umwelt ist nicht nur Belastung für die Gesundheit, sondern kann auch positive Effekte provozieren. Besonders wirksam ist dabei offensichtlich die soziale Umwelt. Einsame Menschen empfinden ihr Leid besonders intensiv. Wer in sozialer Gemeinschaft lebt erfährt unentwegt Ablenkung durch anregende Zerstreuung und soziale Teilhabe. In der Gemeinschaft erleben Menschen, die aufgrund chronischer Erkrankungen von Selbstzweifel geplagt werden, individuelle Bestätigung als erwünschte Person. Dadurch verbessert sich der allgemeine Gesundheitszustand - körperlich, kognitiv und psychisch.
Die soliden sozialen Bindungen im Verein, wo Menschen über Jahrzehnte ein gemeinsames Hobby organisieren, verbessern die Prognosen für die Gesundheit älterer Menschen - und dazu muss es noch nicht einmal ein Sportverein sein. Viel wichtiger ist offensichtlich die aktiv engagierte Einbindung in eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Eine australische Forschergruppe nutzte die Vereinszugehörigkeit und deren Veränderung während der Neuorientierung beim Eintritt ins Rentnerleben als Messinstrument, um den positiven Effekt eines stabilen sozialen Umfelds außerhalb der Familie zu analysieren. Ob jemand einem Verein beitritt oder so eine Gemeinschaft durch Austritt dauerhaft verlässt, ist klares Zeichen der selbstbestimmten Zugehörigkeit - und für Forscher ein gut zu analysierendes (bei Befragungen auch retrospektiv noch zählbares) Kriterium.
So zeigte sich, dass der Übergang vom Berufsleben in den Ruhestand für Vereinsmitglieder deutlich seltener mit Einbußen an Lebensqualität verbunden war als für nicht vereinsgebundene Neurentner. Unabhängig vom Vereinszweck, ob Religion, Geselligkeit oder Sport, fühlten sich die Menschen in den überschaubaren sozialen Organisationen generell wohler
und gesünder. Der positive Effekt übertraf den von regelmäßig betriebenem Ausdauersport (z.B. zumindest einmal wöchentlich eine halbe Stunde joggen). Die Forscher erkannten einen klaren Zusammenhang zwischen Vereinsmitgliedschaft und Lebensqualität: objektiv (erhöhte Sterberate von Menschen, die sich aus ihren Vereinen zurückzogen*) und subjektiv (das selbst eingeschätzte Wohlbefinden schwand um 10%).
Genau so wirkt auch das Engagement in der Patienten-Selbsthilfe positiv auf die Gesundheit. So können Mitglieder der DFV in der Gemeinschaft mit gleichermaßen betroffenen Menschen über den Alltag mit Fibromyalgie sprechen, ohne sich ständig mit der Erkrankung selbst auseinander setzen zu müssen. Hilfreich ist das nur, wenn tatsächlich neue Informationen vermittelt werden. Art und Intensität der Symptome sind den meisten Betroffenen aus leidvoller Erfahrung vertraut. Im Kontakt mit gesunden Mitmenschen dominiert dagegen allzu oft die Erkrankung selbst das Gespräch. Die Menschen meinen es gut mit ihrer Empathie, doch für die Betroffenen ist es kein Vergnügen. Die Selbsthilfe gewährt stattdessen unter den „Experten aus Betroffenheit“ einen Raum ohne quälende Bedauerungsbekundungen.
Wer sich neben der Mitgliedschaft noch ehrenamtlich in der Gruppenleitung engagiert, verstärkt den positiven Sozialeffekt. Die individuelle Bedeutung des Vereins wächst mit dem persönlichen Engagement. Sicherlich kann man nicht die Gleichung aufstellen: Die Wahl zur Vorsitzenden oder zum Kassenwart oder … ergibt denselben Gesundheitseffekt wie zweimal pro Woche eine halbe Stunde joggen. Doch garantiert sind die Selbsthilfegruppen der DFV eine gesundheitsförderliche soziale Gemeinschaft mit positivem Zusatznutzen: Hilfreiche Tipps zum Leben mit Fibromyalgie, die andere Mitglieder bereits erfolgreich ausprobiert haben.
Quellen:
(* Risiken aufgrund von Erkrankungen wurden herausgerechnet)
Steffens, N.K. et al. (2016): Social group memberships in retirement are associated with reduced risk of premature death: evidence from a longitudinal cohort study. BMJ Open 6: e010164, online veröffentlicht am 16. 02. 2016. DOI: 10.1136/bmjopen-2015-010164
Autor:
Holger Westermann Sommerau 51 Telefon 07131-568717 |