Fehlerhafte Fortbildung Fibromyalgie: Fresh-up für Apotheker und Pharmazeutisch technische Assistenten (PTA)
Der Blog für Pharmazeuten „Apotheke AdHoc“ beginnt sein „ Fresh-up: Fibromyalgie“ (also eine Auffrischung des Wissens über die Erkrankung) mit der Klassifikation als „Erkrankung der Weichteile“ und ergänzt „Häufig kommen durch die langanhaltenden Schmerzzuständen auch psychische Belastungen hinzu“. Die psychischen Belastungen als Folge der Schmerzen - diese Einschätzung entspricht nicht der aktuellen medizinischen S3-Leitlinie.
Wenn man das Gehirn als „Weichteil“ bezeichnen möchte, dann mag die Einordnung stimmen, denn der Fibromyalgie-Schmerz entsteht nicht in den Muskeln sondern im Kopf. Deshalb haben auch die „18 sogenannte „Triggerpunkte“, die besonders druckempfindlich sind und zu Schmerzen führen können“ an diagnostischer Bedeutung verloren. Die „Tenderpoints“ sind bei vielen Betroffenen Orte besonderer Schmerzsensibilität aufgrund einer zentralnervösen Fehlinterpretation der Berührungsreize - doch zu Schmerzen führen sie nicht (sie verursachen keine Schmerzen).
Insofern ist die Therapieinterpretation nur konsequent: „Aufgrund der seelischen Beeinträchtigungen werden oft Antidepressiva verschrieben, welche ebenfalls Einfluss auf das Schmerzempfinden und die Müdigkeit haben können.“ Doch in der Fibromyalgie-Therapie werden Antidepressiva so niedrig dosiert, dass sie zwar schmerzreduzierend wirken, aber nicht für die Behandlung psychischer Erkrankungen ausreichen.
Bei der Suche nach möglichen Ursachen wird spekuliert: „Stress spielt womöglich eine große Rolle bei der Entstehung und dem Verlauf der Erkrankung. Ebenso sollen Wetter, Bewegung und Temperaturwechsel Einfluss haben. Möglich ist auch eine gestörte Schmerzverarbeitung.“ Jeder Patient weiß, dass Stress nicht womöglich, sondern sicherlich eine große Rolle spielt. Den Wettereinfluss untersucht die DFV gerade in einem wissenschaftlichen Projekt mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD) und der Webseite menschenswetter.de; bislang gibt es dazu vereinzelte Berichte, aber noch keine umfassende Studie. Und Bewegung, moderater Sport aber auch Entspannungsübungen haben sicherlich eine positive Wirkung - und das ist kein Hörensagen (sollen Einfluß haben), sondern vielfach durch Studien belegt. Die „gestörte Schmerzverarbeitung“ ist keine „Möglichkeit“, sondern das derzeit favorisierte Modell für Fibromyalgie.
Bei den Therapiemaßnahmen, die in der Apotheke empfohlen werden sollen heißt es: „Ebenso können Massagen oder Kälte- und Wärmeanwendungen der betroffenen Körperregionen wohltuend sein. Der entstehende Kältereiz kann die Schmerzrezeptoren vorübergehend blockieren und Schmerzen verringern. Geeignet für die Kälteanwendung sind beispielsweise Kalt-Warm-Kompressen. Der ideale Aufbewahrungsort für die Kompressen ist der Kühlschrank, nicht das Eisfach.“ Nur wenige Fibromyalgiepatienten sehnen sich nach Massagen, die intensive manuelle Bearbeitung des Körpers ist allzu oft sehr schmerzhaft. Das selbe gilt für Kältereize. Positive Berichte gibt es nur über Kältekammern (bis -110°C), aber nicht über lokale moderate Kühlung einzelner Körperregionen. Die Wirkung von Kühlkompressen beruht auf dem „Einfrieren“ der Schmerzweiterleitung über spezielle Nerven. Doch die Schmerzleitung vom defekten Muskel/Organ zum Gehirn ist bei Menschen mit Fibromyalgie gar nicht problematisch. Wäre das der Grund fürs Schmerzempfinden, würden auch normale Schmerzmedikamente helfen - doch genau diese sind (wie im Text ein paar Zeilen zuvor korrekt bemerkt wird) wirkungslos.
Die Webseite Apotheke AdHoc ist (normalerweise) eine durchaus empfehlenswerte Quelle für Fachinformation. Doch dieses Fresh-up für Apotheker führt durch seine Formulierungen in die Irre. Alle Stichworte sind versammelt, doch die vermittelte Information ist nicht korrekt. Wer seinen Apotheker unterstützen möchte verweise auf die Broschüre der DFV für Ärzte, Apotheker und Therapeuten „Patientengespräch Fibromyalgie“. Sie kann von den Mitgliedern der medizinisch-pharmazeutischen Fachkreise über die Geschäftsstelle angefordert werden.
Apotheke AdHoc (2019): Fresh-up: Fibromyalgie. Online veröffentlicht 2.7.2019.