Osteopathie - die sanfte Medizin
"Osteopathie" ist ein Begriff, der in den letzten Jahren auch in Deutschland immer häufiger zu lesen oder zu hören ist. Diese Therapieform, die in Ländern wie, England, Frankreich oder Belgien schon seit Jahrzehnten etabliert ist und in den USA schon seit langem in einem eigenen medizinischen Studiengang unterrichtet wird, erfährt auch hierzulande zunehmende Verbreitung. Begründet wurde die Osteopathie in der Mitte des letzten Jahrhunderts von dem amerikanischen Arzt Andrew Taylor Still. Er bezeichnete sein neues Behandlungsverfahren als "Osteo"-"pathie", weil er über den Knochen ("osteon") versuchte Krankheiten ("pathos") zu heilen, wobei der Knochen hier stellvertretend für verschiedenste Gewebestrukturen des Körpers steht.
"Leben ist Bewegung" ist eines der von Andrew Taylor Still postulierten Hauptprinzipien. Unser Körper stimmt alle Funktionen in ständiger Bewegung aufeinander ab. Diese permanente Mobilität ist uns zum Großteil nicht bewusst - die Atembewegung, die Bewegungen unserer Verdauungsorgane, das Strömen der Körperflüssigkeiten (z.B. Blut und Lymphe), die Bewegungen der Muskeln, Sehnen und Gelenke. Das Spektrum an Bewegung in unserem Körper reicht von großen Bewegungen, z.B. bei den großen Gelenken, bis zu sehr kleinen Bewegungen, die jede einzelne Zelle betreffen. Ein Verlust an Bewegung kann einen Verlust an Vitalität von Geweben und in der Folge Krankheit bedeuten.
Die Aufgabe des Osteopathen ist es, gestörte Bewegungsabläufe zu finden und durch Anregung der körpereigenen Selbstregulierungsmechanismen wieder zu normalisieren. Dies ist möglich bei Beschwerden, aber auch schon in deren Vorfeld als Präventivtherapie. Dabei benutzt er zu Diagnose und Therapie ausschließlich seine Hände. Durch die sehr differenzierte Untersuchung lassen sich beim Patienten häufig Ketten von Bewegungseinschränkungen finden. Diese können unterschiedlichen Prioritäten für die Behandlung zugeordnet werden. Durch diese Ursache-Folge-Ketten ist es zu verstehen, dass häufig weit entfernt von der Körperstelle der Schmerzen oder der Beschwerden behandelt wird. Als Beispiel sei hier eine mögliche Ursache von Kopfschmerzen dargestellt:
Ein Kopfschmerzpatient ist vor Jahren stark mit dem Fuß umgeknickt, was eine Bewegungseinschränkung im Sprunggelenk zur Folge hatte. Dadurch wurde das Wadenbein nach unten fixiert, was wiederum dazu führte, dass durch die hintere Oberschenkelmuskulatur das Becken nach hinten gedreht wurde. Dieser Fehlstellung des Beckens musste sich die Wirbelsäule anpassen, woraus eine Verkrümmung derselben entstand. Um die Augen in horizontaler Lage zu halten, neigte sich die Halswirbelsäule zur Gegenseite. Dies war aber nur möglich über eine Spannungserhöhung der entsprechenden Hals- und Kopfmuskulatur. Tritt eine Situation auf, in welcher der Körper diese Veränderungen nicht mehr ausreichend kompensieren kann, kann es zu Kopfschmerzen kommen.
Bewegung findet aus Sicht der Osteopathie nicht nur im Bewegungsapparat, sondern auch zwischen inneren Organen und am Schädel statt. Für Osteopathen sind der Organismus und der Mensch an sich eine Einheit. Aus systematischen Gründen unterscheidet die Osteopathie jedoch drei große Systeme - das parietale, das viszerale und das kraniosakrale System.
Das parietale System umfasst alle Knochen, Gelenke, Sehnen, Muskeln, Arterien, Venen, Lymphgefäße sowie das periphere Nervensystem. All diese Gewebe und Strukturen sind miteinander vernetzt. Störungen in einem Teil diese Systems haben zwangsläufig Veränderungen in vielen anderen Bereichen zur Folge. Sinnvoll ist es, über die Regulation der "zentralen" Störung den Ausgleich der Folgeveränderungen zu ermöglichen.
Das viszerale System schließt die Organe des Brust- und des Bauchraums sowie die inneren Geschlechtsorgane ein. Durch die Atembewegungen von Zwerchfell und Brustkorb sowie durch den Herzschlag und die Darmmotorik findet ständig Bewegung zwischen den einzelnen Organen statt. Die Niere beispielsweise bewegt sich bei jeder Einatmung drei Zentimeter nach unten und außen, was sich im Verlauf eines Tages zu einer Bewegungsstrecke von etwa einem Kilometer aufsummiert. Eine Einschränkung dieses Bewegungsspielraums kann zu Störungen der Niere und ihrer Nachbarstrukturen führen.
Wichtige Verbindungselemente des viszeralen und des parietalen Systems stellen z.B. das Zwerchfell und der Hüftbeugemuskel dar. Auch die Wirbelsäule spielt hier häufig eine zentrale Rolle, können doch beispielsweise Wirbelblockaden einen zwischen den Wirbelkörpern austretenden Nerv, der ein Organ versorgt, beeinträchtigen.
Das kraniosakrale System beschreibt den Schädel und die Wirbelsäule mit der Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit. Auch Gehirn und Rückenmark haben wie alle anderen Organe eine gewisse Eigenbeweglichkeit. Diese kann der Osteopath aufgrund kleiner rhythmischer Bewegungen des Schädels zueinander feststellen und beurteilen. Durch die sogenannte harte Rückenmarkshaut stehen der Schädel und der untere Teil der Wirbelsäule, das Kreuzbein, in direkter Verbindung miteinander.
Ist die Beweglichkeit des Kreuzbeins durch Einflüsse z.B. des knöchernen Beckens oder der Beckenorgane wie Blase oder Gebärmutter eingeschränkt, so wirkt sich das auch auf die Beweglichkeit des Schädels und verschiedener Funktionen aus.
Als Beispiel sei hier eine Depression nach einer Entbindung genannt:
Beim Durchtritt des Kindes kann es zu einer Fixierung des Kreuzbeins am Becken der Mutter kommen. Über die Verbindung zum Schädel durch die harte Rückenmarkshaut kann eine Blockade der Hinterhauptschuppe die Folge sein. Dadurch wird die Beweglichkeit anderer Schädelknochen eingeschränkt, was Auswirkungen auf die Hypophyse und so auf den Hormonhaushalt nach sich ziehen kann. Dies kann die Ursache einer Depression sein, wenn die Patientin nicht über ausreichende Kompensationsmöglichkeiten verfügt.
Weitere Informationen und Adressenlisten von Osteopathen in Deutschland können Sie erhalten über den:
Verband der Osteopathen Deutschland e.V. (VOD)
Untere Albrechtstraße 14
65185 Wiesbaden
TEL 06 11 / 9 10 36 61
FAX 06 11 / 9 10 36 62
Literatur zur Osteopathie
Liem Torsten, Tsolodimos Christine, "Osteopathie - Die sanfte Lösung von Blockaden", 1999 Ariston Verlag
Newiger Christoph, "Osteopathie - Sanftes Heilen mit den Händen", 1998 Trias Verlag
Werner Jungkunz, Forchheim