Gemeinsames Forschungs-Projekt der Deutschen Fibromyalgie Vereinigung (DFV) e.V. mit dem Deutschen Wetterdienst, Schmerztherapeuten und Menschenswetter.de
Wetter macht nicht krank, aber seit der Antike ist bekannt, dass es die Beschwerden von Patienten beeinflussen kann. Schon in der, dem griechischen Arzt Hippokrates (460-375 v.Chr.) zugeschriebenen Schrift "Über den Einfluss der Umwelt auf die Gesundheit" werden grundlegende Gedanken zur Medizinmeteorologie formuliert, die heute noch Gültigkeit haben. Wetterreize stellen für den Organismus eine zusätzliche Belastung dar, die zu einer vorübergehenden Verstärkung, beschleunigtem Auslösen oder vermehrter Häufigkeit der Beschwerden führen kann.
Aktuelle repräsentative Befragungen unter jugendlichen und erwachsenen Bundesbürgern identifizierten bis zu 54% Wetterfühlige. Dabei waren mehr Senioren (68%) als Jugendliche und junge Erwachsene (41%) davon betroffen. Durch alle Altersklassen klassifizierten sich mehr Frauen als Männer als wetterfühlig. Dieses Ergebnis deckt sich mit älteren Studien, die in den 70er Jahren eine Selbstdiagnose zwischen 50 und 70% der Deutschen ermittelt hatten. Dabei verstehen die Befragten unter "Wetterfühligkeit" eine vorübergehende Verschlechterung ihres allgemeinen Befindens, für die sie sich nur das Wetter als Ursache vorstellen können.
Dieser Effekt ist umso größer, je dramatischer der physiologische Stress für den Organismus ausfällt: Aufgrund eines abrupten tief greifenden Wetterwechsels oder weil eine manifeste Vorerkrankung in besonderem Maße sensibilisiert. Nach Unfällen, Verletzung, Operationen sowie bei schweren akuten Erkrankungen oder bei chronischen Krankheiten können Wettereinflüsse die Intensität der Beschwerden oder die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Beschwerden und Anfällen erhöhen. Für einzelne Erkrankungen und Symptome sind auch Wetterlagen bekannt, die bei den Patienten zu einer Entlastung beitragen können. Bei solchen mit einer chronischen Erkrankung verbundenen Wettereffekten spricht man nicht mehr von "Wetterfühligkeit" sondern von "Wetterempfindlichkeit".
Für die meisten Patienten ist die Temperaturregulation, die zu großen Kreislaufbelastungen und infolgedessen auch Stress führen kann, ein wesentlicher Wettereinfluss auf das Wohlbefinden. Hierbei spielen mehrere Faktoren zusammen, wie Sonneneinstrahlung, Temperatur und Luftfeuchtigkeit, Wind und in geringerem Umfang auch der Luftdruck, sowie die damit einher gehende Verdunstung am Körper (schwitzen und atmen). Die Abteilung Medizinmeteorologie des Deutschen Wetterdienstes (DWD) hat diese Vielzahl meteorologischer Messwerte im Klima-Michel-Modell zusammengefasst und zur physiologisch relevanten "gefühlten Temperatur" verdichtet. In Verbindung mit den prognostizierten Frontensystemen der Tief- und Hochdruckgebiete sowie dem damit verbundenen Luftmassenaustausch erfolgt eine Kategorisierung des Wetters nach medizinmeteorologischen Gesichtspunkten.
Auf dieser Grundlage erstellt der DWD seit den 70er Jahren eine Vorhersage, zunächst nur für Ärzte und Kliniken, seit den späten 80er Jahren auch für Patienten. Als "Biowetter" erscheint eine kurze Zusammenfassung dieses Serviceangebots in vielen Tageszeitungen. Seit 2011 besteht eine exklusive Kooperation mit der Internetseite www.menschenswetter.de. Für 17 chronische Erkrankungen und Symptome werden Prognosen formuliert und grafisch dargestellt, ob und in welchem Umfang die zu erwartenden Wetterlagen die Beschwerden der Menschen verschlechtert oder zur Entlastung beiträgt. Partnerärzte erläutern warum sich das angekündigte Wetter positiv oder negativ auswirken kann. Das Spektrum der Erkrankungen reicht von Angina pectoris bis Konzentrationsschwankungen, von Rheuma bis Depressive Verstimmung. Fibromyalgie ist noch nicht dabei. Das soll nun durch ein gemeinsames wissenschaftliches Projekt geändert werden.
Menschen mit Fibromyalgie klagen, dass feuchtkaltes Wetter oder ein Wetterumschwung aus Nordwest ihre Beschwerden verschlimmere. Stark böiger Wind und ausdauernde Regenfälle oder schnell aufeinander folgende Schauer scheinen diesen Effekt zu verstärken. Ein anderer Aspekt des Wettereinflusses berücksichtigt, dass Menschen mit Fibromyalgie vielfach unter Schlafstörungen leiden. Jeder Mensch erwacht rund 17mal in der Nacht, schläft aber zumeist sofort wieder ein. Beispielsweise bei Harndrang aber auch wenn Sorgen plagen gelingt dieses Wieder einschlafen nicht so zuverlässig. Auch Fibromyalgie-Beschwerden können dazu führen, dass die Schlafunterbrechungen länger ausgedehnt werden als bei Gesunden, der Schlaf wird insgesamt kürzer und weniger erholsam. Die Menschen fühlen sich beim Aufstehen nicht fit für den Tag, sondern schon früh am Morgen erschöpft. So kann auch Sommerwetter belastend wirken, denn in Tropennächten, in denen das Thermometer nicht unter 20°C sinkt, fällt das "Durchschlafen" besonders schwer.
Welche Wetterlagen genau belasten Menschen mit Fibromyalgie? Welches Wetter führt möglicherweise auch zu einer Entlastung von Beschwerden? Können wir aus den Reaktionen des Organismus auch Rückschlüsse auf die Entstehung (Genese) der Erkrankung Fibromyalgie ziehen? Diesen Fragen soll in einem gemeinsamen Forschungsprojekt der Deutsche Fibromyalgie Vereinigung (DFV) e.V., des Deutschen Wetterdienstes (DWD), der Partnerärzte und der Patienten-Webseite www.menschenswetter.de nachgegangen werden.
Die wissenschaftliche Koordination des Projektes hat die Leiterin der Abteilung Medizinmeteorologie des DWD, Dr. Christine Koppe-Schaller, übernommen. Als Partnerärzte unterstützen uns Dr. med. Axel Menzebach, Chefarzt Klinikum am Plattenwald in Bad Friedrichshall, Leiter der Schmerztherapie sowie Dr. Michael Lacour, Arzt für psychosomatische Medizin, Psychotherapeut, bis 2011 Mitglied einer Fibromyalgie-Forschungsgruppe an der Uni Freiburg. Wir haben mit unseren Partnerärzten sowohl die klassische Schmerztherapie als auch die Psychosomatische Medizin als wissenschaftliche Disziplinen vertreten.
Die Patienten-Webseite Menschenswetter bietet als Kooperationspartner des DWD detaillierte Vorhersagen sowie interessante Medizin- und Wetterinformationen an. Die Patienten haben aber auch die Möglichkeit dort ein Tagebuch zu führen, um festzustellen inwiefern sie persönlich tatsächlich wetterempfindlich sind. Für unser Forschungsprojekt nutzen wir genau diese Protokollfunktion von Menschenswetter als Plattform zur Datensammlung. Wer mitmachen möchte um das Forschungsprojekt zu unterstützen muss sich bei Menschenswetter registrieren. Dazu ist es nicht notwendig den eigenen Namen oder gar die Adresse preis zu geben. Ein Nutzername, den Sie frei wählen können, sowie ihre PLZ, damit der Vorhersageort genau bestimmt werden kann, genügen. Das einzige wirklich persönliche, das erhoben werden muss, ist die Email-Adresse. Sonst könnte ein vergessenes Zugangspasswort nicht mehr zurück gestellt werden. Es folgen noch einige Angaben zur Wohnsituation, ein kleines "i" am Eingabefeld informiert Sie darüber, warum diese Daten für uns wichtig sind. Ein Weitergabe Ihrer Daten erfolgt ausschließlich anonymisiert und nur zur wissenschaftlichen Auswertung.
Unter den auswählbaren Erkrankungen wird ab August 2012 auch die Fibromyalgie gelistet sein, auch wenn noch keine Vorhersage erstellt werden kann. Aktivieren Sie Ihr Fibromyalgie-Protokoll indem Sie hier ein Häkchen setzen, gerne können Sie auch noch weiteren Erkrankungen die Sie betreffen aktivieren. Am Ende der Registrierung sollten sie mit einem Häkchen der Weitergabe Ihrer Daten zur ausschließlich wissenschaftlichen Auswertung zustimmen. Sie erhalten dann eine Email mit einem Aktivierungslink, ein Klick darauf und Ihr persönliches Protokoll ist eingerichtet.
Wenn Sie nun Menschenswetter aufrufen können Sie sich anmelden und erhalten sofort eine Eingabemaske für Ihr Protokoll, die Sie nach Ihrem Allgemeinen Befinden und Ihren Fibromyalgie-Beschwerden fragt. Einmal in Form der von Schmerztagebüchern bekannten Skala von 1 bis 100 und einmal als Einschätzung im Vergleich zum Vortag. Beide Einträge sind Grundlage für den Vergleich mit den Vorhersagen des DWD. Für ein komplettes, auswertbares Protokoll sind zumindest 80 Einträge notwendig, umso mehr um so besser. Dabei ist es aber nicht zwingend, dass jeden Tag ein Eintrag erstellt wird. Die Frage nach den Beschwerden im Vergleich zu gestern gestattet es auch lückenhafte Protokolle auszuwerten, denn jeder Messwert bringt seinen Vergleichswert gleich mit.
Ziel des Projektes ist es für Menschen mit Fibromyalgie eine verlässliche Prognose zu erstellen. Weder das Wetter noch die Beschwerden werden sich dadurch ändern, aber die Belastungen durch die Beschwerden werden planbar. Droht übermorgen eine stärkere Belastung, so können wichtige Erledigungen vorgezogen werden. Wer heute unter extremen Beschwerden leidet kann mit Blick auf eine zu erwartende Entlastung etwas gnädiger mit seiner mangelnden Leistungsfähigkeit umgehen. Es werden nicht alle Menschen mit Fibromyalgie im selben Maße davon profitieren, denn das Ausmaß des Wettereinflusses auf die Beschwerden ist bei jedem Menschen anders. Manche sind sehr stark wetterempfindlich andere sind eher unempfindlich gegenüber Umweltreizen. Auch diese Spannbreite der Wetterempfindlichkeit ist ein wichtiges Erkenntnisinteresse in diesem Forschungsprojekt. Deshalb ist es wichtig, dass auch die Patienten langfristig dabei bleiben, die nach einigen Protokolleinträgen zu der Vermutung kommen, dass sie persönlich wohl nicht wetterempfindlich sind.
Durch Ihre Mitarbeit in diesem wissenschaftlichen Projekt können Sie für sich persönlich aber auch für viele andere Menschen mit Fibromyalgie einen wertvollen Beitrag zur langfristigen Verbesserung der Lebensqualität leisten. Wir danken Ihnen für Ihre Unterstützung.
Autor und Kontaktadresse
Holger Westermann
Sommerau 51
74081 Heilbronn
07131-2795272