Linderung von Fibromyalgie-Schmerz durch Cannabistherapie??
In einem aktuellen Artikel vom 7. Juni 2019 berichtet die Cannabis-Lobby-Webseite Leafley vom erstaunlichen Therapieerfolg an einem Patienten aus Baden-Württemberg, 38 Jahre alt, als Selbständiger berufstätig, Familienvater, ehemaliger Feuerwehrmann.
Verfasst hat den Artikel die „Patientenbeauftragte“ von Leafly‚ Gesa Riedewald (Lokalpolitikerin Bündnis 90/Die Grünen in Hamburg Altona). Offizielle Partner von Leafly sind MEDCAN, Medical Cannabis Verein Schweiz mit Sitz in Zürich sowie der Verein ARGE CANNA, Arbeitsgemeinschaft Cannabis als natürliche nebenwirkungsarme Arznei in Wien, Österreich. Die drei Webseiten und Organisationen widmen sich in unterschiedlichem Maß offensichtlich und offensiv der Förderung des Cannabisabsatzes.
Liest man den im Stil einer Reportage verfassten Text, erstaunen einige Statements, beispielsweise: „Seitdem plane ich meine beruflichen und privaten Termine quasi um die Schmerzphasen herum”. Menschen mit Fibromyalgie können nicht planen, wann sie die Schmerzen besonders intensiv plagen. Zumal der Patient selbst behauptet, durch Cannabisblüten und „die Inhalation des Cannabis“ weitgehend schmerzbefreit zu sein: „Ich bin dadurch mittlerweile im Stande, den kompletten Tag fast schmerzfrei zu arbeiten.” Immerhin meidet er die Teilnahme am Straßenverkehr unter Einfluss der Rauschdroge indem „zwischen der Einnahme und der nächsten Autofahrt ein möglichst langer Zeitraum liegt“.
Die Wirkung solcher Geschichten (nicht solcher Therapien) ist evident. Beim klinischen Symposiums: Fibromyalgie – Fakten, alternative Fakten und ‚fake News‘ konstatierte Prof. Dr. Christoph Baerwald (Klinik und Poliklinik für Gastroenterologie und Rheumatologie am Universitätsklinikum Leipzig): „Aktuell wird medizinisches Cannabis heiß diskutiert und von Patienten oft nachgefragt“. Bislang lasse jedoch keine Studie positive Rückschlüsse auf den Nutzen eines Einsatzes von Cannabis-Präparaten gegen Symptome des FMS zu. Konsequent sei daher in den Leitlinien eine negative Empfehlung zu Cannabinoiden aufgeführt.
Erzählungen über spektakuläre Linderungen von Fibromyalgieschmerzen Einzelfälle und bedürfen der empirischen Absicherung, bevor man Therapieerfolge postuliert. Das scheint auch den Cannabispropagandisten bekannt zu sein. So wird in dem Leafly-Artikel erwähnt „Im Dezember 2018 hat er an der Uniklinik Würzburg an einer Fibromyalgie-Studie teilgenommen. Anfang des Jahres 2019 macht er sich auf die Suche nach einem Arzt, der ihm Cannabis auf Rezept verschreibt.“ Zu vermuten wäre bei dieser Formulierung, dass diese Studie sich mit Fibromyalgie und Cannabis beschäftigte und die Suchen nach einem Arzt, der Cannabis verschreibt, Folge dieser Teilnahme an der Studie sei. Doch so eine Studie wird auf den Webseiten der Uni Würzburg nicht erwähnt. Frau Prof. Dr. Üçeyler forscht zu Small Fibers bei Fibromyalgiepatienten, Frau Prof. Dr. Sommer zu Resilienzfaktoren (Widerstandsfähigkeit) beim Fibromyalgiesydrom.
Zum Anschluss folgt für die interessierten Leser ein Nacherzählung des Arztreigens bis zum aktuellen Status, der Patient hat inzwischen „eine kassenärztliche Praxis gefunden, die Cannabisblüten verschreibt.“ und erzählt weiter “Bei dieser steht in Kürze ein Termin an. Eine Apotheke in der Nähe gibt es auch schon. Lediglich die Kostenübernahme der Krankenkasse steht dann noch aus”. Doch nach dem aktuellen Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 22. Mai 2019 (Az.: 46 KR 455/18) wird sich diese Hoffnung wohl nicht erfüllen (siehe dazu auch den Artikel "Kein Cannabis für Menschen mit Fibromyalgie" auf dieser Webseite).
Riedewald, G. (2019): Leafly.de Patientenakte: Patrick Emmler, 38, Fibromyalgie, Baden-Württemberg. Online veröffentlicht auf leafly.de am 7.6. 2019.
Rommelfanger, J. (2019): Fibromyalgie – was sind Fakten, was „Fake News“? Experten geben Tipps zu Diagnose und Therapie. Bericht vom klinischen Symposium „Fibromyalgie – Fakten, alternative Fakten und ‚fake News‘“ auf dem 125. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), online veröffentlicht auf MedScape 11.06. 2019.